Sigga Björg Sigurðardottir
& Latefa Wiersch

BEAST

VERNISSAGE
Freitag, 29. Oktober 2010, 19 Uhr

ADLER - FRANKFURT AM MAIN
30. Oktober 2010 – 8. Januar 2011


Wenn in Island Berge versetzt werden, dann ist dies nichts Besonderes. Schließlich könnten im Inneren Elfen wohnen! Vor größeren Baumaßnahmen sichern sich Firmen und Behörden meist bei einer Elfenbeauftragten ab und auch der Großteil der Bevölkerung ist dem Glauben an Elementargeister und Trolle sehr verbunden. Sie gehören zum Leben auf der rauen Insel wie ihre Vulkane, Gletscher und Geysire. Wo Naturgewalten bekämpft werden, gibt es auch vermeintlich unerklärliche Phänomene und wo der Verstand nicht hilft, springen Phantasie und Überlieferungen ein, denen Island eine ganze Palette übernatürlicher Wesen verdankt.
Aus diesem unendlichen Fundus schöpft auch die Isländerin Sigga Björg Sigurðardottir (*1977), die in ihren Zeichnungen, Wandgemälden und animierten Videos dann aber menschliche Verhaltensweisen und problematische Gefühle thematisiert. Wie kleine haarige Biester treiben die schelmischen Wesen ihren Schabernack, vergießen dabei allerhand Körperflüssigkeiten, würgen und spucken, triefen und sabbern. Teilweise wirken die Szenerien recht abstoßend, doch werden auch tiefste Emotionen zum Ausdruck gebracht. Sie weinen und schreien, sie piesacken und foltern einander.
„Der Gegensatz zwischen Grauen und Schönheit und dem Zustand, in den man verfällt, wenn man nicht weiß ob etwas schön oder ekelhaft, lustig oder traurig ist, hat mich schon immer fasziniert. Haben Sie schon einmal angefangen zu lachen, wenn etwas Schreckliches passiert? Ich schon, und es ist kein gutes Gefühl…“, so die Künstlerin.

Ein ähnlich mulmiges und schwer zu beschreibendes Gefühlsgemisch stellt sich auch als Betrachter der Assemblagen der jungen Deutschen Künstlerin Latefa Wiersch (*1982) ein. Wie Sigurðardottirs Geschöpfe wirken auch Wierschs Objekte wie aus einer anderen, sehr geheimnisvollen Welt.
Ein schützender Lampenschirm beleuchtet die unter ihm platzierten roten Schuhe, aus denen eine undefinierbare, fleischige Masse quillt. Man hat bei der Arbeit „Heim“ den Eindruck, in eine versteckte Kellerecke oder einen Bettunterschlupf zu blicken, an dem jemand zu Hause war und etwas Geheimnisvolles hinterlassen hat. Assoziationen von Geborgenheit und Schrecken im trauten Heim stellen sich ein.
Ein kleines altes Holzhaus löst zudem ein zwiespältiges Gefühlsgefüge zwischen Geheimnisvollem und Morbidität bei dem Besucher aus, der in das Häuschen eintritt. Er wird Teil der Skulptur und dringt in die Intimsphäre einer abwesenden Person ein, der sein Zuhause mit Rotlicht dramatisch und durch zurückgelassene Gegenstände zudem heimelig inszeniert hat.
Aus gefundenen Alltagsgegenständen entstehen bei Wiersch außerdem hybride Klangkörper, die von weicher Kleidung überwuchert werden. Die Gefühlsregungen des Betrachters schwanken hier zwischen Nähe und Distanz, auch da aus dem Inneren der Körper in unregelmäßigen Abständen Geräusche wie Knurren oder Jammern zu hören sind.

Anhand von neuen Zeichnungen, Wandmalereien und Videos von Sigga Björg Sigurðardottir und aufregenden Objekten von Latefa Wiersch ermöglicht die Doppelausstellung „BEAST“ einen interessanten Dialog zwischen Island und Deutschland. Beide Künstlerinnen spielen mit der Verschmelzung von Empfindungen wie gut und böse, schön und hässlich, angsteinflößend und bemitleidenswert, niedlich und monströs. Während Sigurðardottir hierzu ihre isländischen Wurzeln befragt und diese instinktiv zu Papier bringt, sammelt Wiersch Gegenstände, um sie danach in Assemblagen zu emotionalen Projektionsflächen werden zu lassen. Beide Positionen lassen den Betrachter nicht kalt und bieten ihm die Möglichkeit einer Reise ins Reich der widersprüchlichen Emotionen zwischen Lachen und Weinen, Zuneigung und Abscheu, Mitleid und Schadenfreude.
 
 

  
 
 

Sigga Björg Sigurðardóttir

"Paradox Parade"
Drawings

September 6 – October 20, 2007
- verlängert bis 15. November 2007! -
Opening reception Thursday, September 6, 2007, from 6 - 9pm
Galerie Adler New York
 

Galerie Adler would like to introduce you to some of the most eccentric and beguiling creatures that you ever met. Artist Sigga Björg Sigurđardóttir shares her amazing creatures with New York through drawings, installation and animation.

With their often absurd gestures and facial expressions, Sigurđardóttir’s performers cavort across the paper in their colorful shimmies¸ hiked-up ankle socks and fluffy tutus. Disproportionate limbs add to these creatures’ comical yet fragile appearances, also highlighted by gently drawn tufts of hair, ominous puddles of ambiguous liquid and colouring directly reminiscent of blood. Indeed, the viewer feels abducted into the figures’ realm of emotions. Sometimes it seems they have just waded through knee-deep pools of blood in now stained socks. As the artist herself describes, “The contrast between horror and beauty and the state of mind you get in when you don’t know when something is disgusting, beautiful, sad or funny… Have you ever started laughing when something sad happens?”

Sigga Björg Sigurđardóttir is astonishing at creating a simulacrum to the world of our own, though these creatures feel, at first fleeting look, so far removed from our surroundings. Yet, there remains a mysteriously accessible relationship formed between the viewer and the works. For the viewer, the images of these creatures show a friend and a foe, a comic relief and a villain, the vibrancy of childhood play or the darkening presence of adulthood. These dichotomies provide an everlasting attraction to the reverberating unsettled voice that whispers visual expressions and excitement to the eyes.

Sigga Björg Sigurđardóttir was born in ReykjavÌk, Iceland and currently lives and works in Glasgow, Scotland and ReykjavÌk,Iceland. She graduated in 2004 with her MFA from Glasgow School of Art in Glasgow, Scotland. She was rewarded in 2006 the Woollen Glove and the Svavar Gudnason painting award. Her work is represented in various Collections.

For further information please contact: Bettina Kames, Director New York.

Opening reception: Thursday, September 6, 2007, from 6 – 9pm


 




Sigga Björg Sigurðardóttir

"Slurpophobia"
Zeichnungen

10. November 2006 - 6. Januar 2007
Eröffnung Freitag, 10. November 2006, ab 19 Uhr
Galerie Adler Frankfurt am Main
 

Frankfurt am Main, November 2006. Sie haben etwas Menschliches, aber irgendwie auch nicht. Mal fehlt ihnen ein Kopf, oder sie haben stattdessen ein riesiges schwarzes Maul, fast nie haben sie Augen, aber immer scheinen sie zu fühlen. Was genau, kann man nicht sagen, aber sicher ist: sie fühlen etwas, etwas Menschliches, Schmerz, Trauer, Zuneigung, Verzweiflung, Verwirrung.

Auf windschiefem Papier tummeln sich die Kreaturen der jungen Isländischen Künstlerin Sigga Björg Sigurđardóttir
(*1977, Reykjavík, Island) in bunt geringelten Hemden, hochgezogenen Söckchen und flauschigen Tutus, die dem Großteil der Betrachter jenen gutturalen Laut entlocken, der normalerweise für den Blick in den Kinderwagen einer frisch gebackenen Mutter reserviert ist. Und doch sind die Zeichnungen weit davon entfernt, ins Kinderzimmer zu gehören, denn wenn man sie nur lange genug ansieht, erwachen sie zum Leben, spucken, sabbern, würgen, kriechen aneinander hoch, befingern sich, trampeln aufeinander herum, fügen sich Schmerzen zu oder stehen nur da und betrauern ihre Toten.

Wir freuen uns sehr, Ihnen die erste Einzelausstellung der jungen Künstlerin in Frankfurt in unseren Galerieräumen an der Hanauer Landstraße präsentieren zu können und Ihnen die verborgene Welt, in der diese Geschöpfe mit den triefenden Mündern und haarigen Armen existieren, zu zeigen. Sie ist eine Spiegelwelt: Der tief in isländischen Mythologie verwurzelte Glaube an Kobolde, Trolle und Feen, die in den Wäldern ihr Unheil und Schabernack mit den Menschen treiben, schlägt sich unwillkürlich in der Arbeitsweise der Künstlerin nieder: „Ich denke ich bin sehr Isländisch und da ist mein Unterbewusstsein natürlich voller Dinge die ich gelernt oder gesehen habe, als ich dort aufwuchs. Ich versuche nciht, etwas „Isländisches“ zu machen, wenn ich arbeite. Ich versuche nur ehrlich zu sein.“

Diese Ehrlichkeit, eine Art Selbstbetrachtung mit Sicherheitsabstand - denn trotz allem, erinnert die Stimme der Raison im Hinterkopf, sind die kleinen Geschöpfe ja nicht echt - das verdeckte Bekenntnis zu eigenen Fehlern und die Suche nach der eigenen Einstellung verbinden die Zeichnungen Sigurđardóttirs mit den Erzählungen über die mythologischen Geschöpfe. Mit einfühlsamer, aber doch zweideutiger Schlichtheit gehen die Zeichnungen widersprüchlichen Emotionen zwischen Lachen und Weinen, Zuneigung und Abscheu, Mitleid und Schadenfreude auf den Grund.

Das feine Äußere, die zart gezeichneten Haarflauschen, die ominösen Flüssigkeiten, die Färbungen, die ebenso gut Socken sein könnten wie die Spuren vom Waten durch knöcheltiefe Blutlachen entführen den Betrachter auf eine Reise ins Reich der Empfindungen. „Der Gegensatz zwischen Grauen und Schönheit und dem Zustand, in den man verfällt, wenn man nicht weiß ob etwas schön oder ekelhaft, lustig oder traurig ist, hat mich schon immer fasziniert. Haben Sie schon einmal angefangen zu lachen, wenn etwas Schreckliches passiert? Ich schon, und es ist kein gutes Gefühl…“

Es gibt keine große Geschichte, keine durchgehende Handlung, die die einzelnen Serien zusammenhält. Sie entstehen zufällig, kommen zusammen wie lose Seiten aus einem Märchenbuch, aus dem alle Buchstaben verschwunden sind. Der Kampf mit dem Mixer oder die Enttäuschung über die kaputte Waschmaschine – große Gesten und heroischen Pathos sucht man in Sigga Björg Sigurđardóttirs Zeichnungen vergebens. „Wenn ich arbeite“, sagt Sigurđardóttir, “hänge ich alle Zeichnungen an die Wand und nach und nach ist die Wand mit Bildern gepflastert, so dass die Zeichnungen sich gegenseitig beeinflussen, wenn ich neue mache. Jede Serie wird dann zu einer Familie. Sie haben dann nicht bewusst viele gestreifte Klamotten, es war nur zu dieser Zeit grade die Mode in meinem Studio.”

Es ist der Alltag, der ganz gewöhnliche, jeden Tag ein bisschen überraschende, ein bisschen enervierende Alltag, mit dem sich die Kreaturen herumschlagen, mal lustig, mal bösartig, mal in völliger Resignation, aber immer frappierend direkt und ohne die Fassade der politischen Korrektheit. Es sind Momentaufnahmen, die ein mulmiges, mit Worten nicht zu beschreibendes Gefühlsgemisch ausdrücken.

„Ich denke jeder reagiert manchmal seltsam auf Gefühle. Und wenn man versucht, die Vernunft abzuschalten und sich nicht selbst zensiert – das versuche ich, wenn ich arbeite – kommen die extremsten Gefühle hoch und man kann sie kaum verstecken ohne zu lügen. Und ich lüge nicht, wenn ich arbeite. Es geht nur darum, ehrlich zu sein und die Wahrheit zu sagen, wie immer die auch aussieht.“