Die Ausstellung „I
Wish I Was a Beam of Light”, die in der Galerie
Adler in Frankfurt vom 9. Mai - 20.
Juni zu sehen sein wird, präsentiert neue Werke der US-Künstlerin
Alex McQuilkin. Mit dem Titel der Ausstellung nimmt die Künstlerin
Bezug auf eine Episode der TV-Serie „South Park“, in der einer der
Charaktere, eingeschüchtert durch die Notwendigkeit, seiner Freundin
einen Kuss geben zu müssen, sich nichts sehnlicher wünscht, als von
seiner körperlichen Existenz befreit zu sein. Die Ausstellung,
bestehend aus einer Auswahl neuester Videos, sowie Installations-
und Collage-Arbeiten, transzendiert diese tragikomische Existenz des
Menschen sowie den Glauben und das Scheitern darin.
In „Joan of Arc“ - ihrem ersten zwei-Kanal Video - spiegelt die
Künstlerin Alex McQuilkin das leidvolle Martyrium der
französischen Geschichtsheldin Jeanne d‘Arc. Als Inspiration gilt
ihr dabei die amerikanische Schauspielerin Maria Falconetti, die in
dem Film „The Passion of Joan of Arc“ von Regisseur Carl Theodor
Dreyer 1928 selbige Märtyrerin verkörperte. Ausschnitte der
schonungslosen Darbietung Falconettis laufen in schwarz-weiß
parallel zu McQuilkins eigenem Farbvideo. Während auf dem linken
Kanal Dreyer’s unbekannte Close-ups des qualvollen Gesichtsausdrucks
Falconettis in der Gestalt der Jeanne d’Arc zu sehen sind, ist auf
dem rechten Kanal McQuilkin zu erkennen, wie sie sich ihre langen,
rot-blonden Haare mit einer Schere abschneidet und kurz darauf in
einem tranceartigen Verlauf, der dem Moment physischer
Transformation eine emotionale und spirituelle Transzendenz
verleiht, abrasiert. Die Trance wird durch das Korrigieren der
Kameraposition durch die Künstlerin abrupt unterbrochen.
Immer wieder werden auf der linken Seite Zwischenszenen des
Landschaftlichen und Spirituellen, wie etwa eine Kirche,
eingeblendet - Bilder von denen Dreyer glaubte, die historische
Jeanne habe im Moment ihres Flammentodes darauf geschaut. Gegen Ende
des insgesamt fünfeinhalb minütigen Videos erscheint, zwischen dem
Versuch McQuilkins, Falconettis tiefgreifendes Schauspiel zu
synchronisieren und mit diesem zu verschmelzen, das schockierende
Bild eines Totenkopfes, aus dessen Auge ein Wurm kriecht, der als
shakespeare´sches Motiv den Gedanken an die Vergänglichkeit des
Lebens hervorruft.
Der Prozess der Selbstfindung, der sich wie ein roter Faden durch
das gesamte Werk der Künstlerin zieht, bedeutet immer eine
Identitätswerdung am Anderen, und die Adaption des Anderen ist auch
immer eine Zurückweisung, ja ein Zugrunderichten des eigenen Selbst.
Die philosophische Frage nach dem eigenen Sein verbindet McQuilkin
in ihrem Video mit der Bewunderung für träumerische Hoffnung und dem
naiven Glauben an etwas Größeres und Besseres. Eine Haltung, die
nach Ansicht der Künstlerin zumeist nur jungen Menschen oder
Verwirrten zuteil wird.
Die Beschäftigung mit der körperlichen Identität setzt sich auch in
der Installation „Untitled (Escape Route)“ fort. Die im Kontext des
Videos „Joan of Arc“ abgeschnittenen Haare wurden für die
Installation um ein über vier Meter langes Seil gewickelt, das mit
einem Stahlring an der Decke der Galerie befestigt wurde. Das
hängende Haar versteht die Künstlerin als Symbol für einen
bestimmten Zeitraum ihres Lebens - eines Lebens, das sie nun, da das
Haar nicht mehr Teil ihrer selbst ist, aus der Außenperspektive als
Geist einer früheren Persönlichkeit erblickt. Das robuste Seil - ein
rapunzel´sches Fluchtversprechen - reflektiert dabei nicht nur die
Emotion vergangener Geborgenheit, sondern ruft zugleich die Angst
vor einer damit möglichen Flucht hervor.
In ihrem neuesten Video „I Wish I Was a Beam of Light“ wird der
Versuch weitergeführt, cineastischen Fantasien tiefgehende Bedeutung
entlocken zu wollen. In Anlehnung an eine Szene aus dem
Psychothriller „Repulsion“ (1965) von Regisseur Roman Polanski ist
McQuilkin darum bemüht, Transzendenz über die Person der
Schauspielerin Catherine Deneuve herzustellen, die in Polanskis Film
die Rolle der psychisch-sexuell gestörten Carole Ledoux verkörpert.
McQuilkin setzt ihre eigene Gestalt vor der Kamera in Analogie zur
Positur der fast schon komatösen Ledeux in Szene, die unter einem
Lichtstrahl auf ihrem Bett liegt, traumatisiert und paralysiert von
den sexuell anmutenden Geräuschen ihrer Schwester einen Raum über
ihr. Die Imitation der Künstlerin wird mit dem szenischen Ausschnitt
des Films überlagert, wobei in abwechselnder Folge von Intensität
und Schärfe die Deneuve und McQuilkin zu sehen sind.
Auch in diesem Video, allerdings in
anderer Akzentuierung als in „Joan of Arc“, spiegelt sich McQuilkins
Affinität zu dem Thema Identität und dem Wunsch wider, dieser durch
Fantasie oder Höheres zu entkommen. Was bedeutet es, die eigene
Persönlichkeit zu verlieren? Der seelische Schmerz und die
psychische Zerrissenheit, die Darstellerin Catherine Deneuve in der
Rolle der Ledeux und die Künstlerin in einfühlender Adaption zum
Ausdruck bringen, geben auf diese Frage eine schauerliche und
beunruhigende Antwort. In diesem Sinne - so die Künstlerin - bleibt
nichts Anderes als der Wunsch, ein Lichtstrahl zu sein.
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Frankfurt am Main, April 2004 – Alex McQuilkins Videodebut “Fucked” war bereits
am ersten Abend der Armory Show in New York 2002 ausverkauft, sorgte für
Aufregung und ließ die junge Künstlerin auf die amerikanische Kunstszene
los. In Europa hatten ihre Ausstellungen etwas andere Nebeneffekte: In
Belgien musste sie eine schriftliche Erklärung ihrer Volljährigkeit
abgeben, nachdem ihr Video versehentlich als Kinderpornografie konfisziert
worden war.
Zum ersten Mal in Deutschland präsentiert Ulrike Adler die Video- und
Fotoarbeiten von Alex McQuilkin in ihrer ersten Einzelausstellung „Tragically
Sweet“, in der McQuilkin ab dem 3. September in der Frankfurter Galerie
Adler provoziert, tanzt und blutet. Die 24jährige Amerikanerin spielt
selbst die Charaktere in den meisten ihrer Geschichten, in denen sie
Dramatik und Erfahrung der amerikanischen Jugendkultur erforscht. Selbst
erst kürzlich dem Teenager-Dasein entwachsen, richtet McQuilkin ihre
Kamera nostalgisch auf sich selbst und die romantisch-bildhafte
Mentalität, die mit der Pubertät so eng verwachsen ist. „Die Jugend ist
eine Zeit, in der wir uns erlauben, beeinflusst zu werden – in der
Rockstars unbeugsame Götter sind. Alles fühlt sich unmittelbar und
ungefiltert an, auch wenn es das gar nicht ist.“ sagt die junge
Künstlerin.
Drastisch aber zugleich auch subtil zeigt McQuilkin, dass sich Realität
und Imagination häufiger mischen, als uns bewusst ist. Vor einem
Kurt-Cobain-Poster tanzt sich ein Mädchen in Extase, während ein anderes
mit blutigen Mullbinden und besudeltem Schmuck um die Handgelenke in einem
Vogue-würdigen Selbstmord ihr eigenes Spiegelbild bewundert. McQuilkin
spielt mit einer Ästhetik, die sich zwischen Pseudo-Hardcore und Pop-Punk
Musikvideos und der mädchenhaften Welt aus rosa Schleifen und Spitzen. Die
Arbeiten der jüngsten Künstlerin im Programm der Galerie Adler sind
visuelle Repräsentationen von bekannten Symbolen und Charakteristiken: Der
Hüftschwung als weibliche Wettkampfwaffe, Sex als heimlicher Chauvinismus
und übertriebene Selbstinszenierung als Pseudo-Sinnlichkeit.
Trotz der brisanten Inhalte bleibt das Interesse der Künstlerin im
Bildhaften, in den Bildern selbst: unterstrichen von den Filmstills auf
ihren Videos dient deren Inhalt schließlich nur dazu, den Blick des
Betrachters zu schärfen. McQuilkin überquert die Grenzen: das Romantische
oder Triviale kippt plötzlich um und wird dramatisch und tragisch. Die
junge Künstlerin weckt in ihren Videoarbeiten Gefühle, deren Beben bis
tief ins Mark zu spüren ist.
Teenage Daydream: In Vain
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Teenage Daydreams: It´s only Rock & Roll
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